Sicherere Kommunikationsgewohnheiten
Digitale Risiken im Alltag von Überlebenden reduzieren
Diese Sitzung hilft den Teilnehmenden, risikoreiche digitale Kommunikationspraktiken zu erkennen, sicherere Alternativen kennenzulernen und Überlebenden bei alltäglichen Entscheidungen zu unterstützen – z. B. was man textet, von wo man anruft und wie man sein Handy nutzt, ohne überwacht zu werden.
Dauer: 1,5 h (ideal für Gruppen mit wenig Zeit, kann aber auf 2–2,5 h erweitert werden, inkl. Demos und Fallstudien)
Lernziele
Am Ende des Workshops können die Teilnehmenden:
- Häufige Überwachungsrisiken bei Anrufen, Nachrichten und Apps erkennen
- Verstehen, wie Täter Kommunikation überwachen
- Sicherere Werkzeuge und Techniken empfehlen, ohne das Risiko zu erhöhen
- „Situationsbezogene Kommunikationspläne“ für Überlebende entwickeln – je nach Bedrohungslage
- Einfache Methoden nutzen, um sichere Kanäle zu prüfen (ohne paranoid zu wirken)
Zielgruppe
- Mitarbeitende in Schutzunterkünften
- Unterstützende Fachkräfte
- Ehrenamtliche in der Beratung
- Rechtliche Unterstützer·innen
- Überlebende in digitalen Sicherheitsprogrammen
Benötigte Materialien
- Flipchart, Marker
- Handys (echt oder Attrappen), Laptops für Rollenspiele
- Gedruckte „Bedrohungskarten“
- Post-its, Stifte
- Optional: Demotools (Signal, Briar, GrapheneOS-Gerät, Faraday-Tasche, PiRogue-Gerät)
Aufbau
Teil 1: Bewusstsein für digitale Risiken (20 Min)
Themen
- Wie Täter Kommunikation überwachen:
- Spyware / Stalkerware
- Cloud-Sync & Gerätespiegelung
- Geteilte Konten, Familienabos
- Physischer Zugriff (Codes erraten, Nachrichten direkt lesen)
- Der Mythos „einfach WhatsApp nutzen“ – wann das nicht sicher ist
Aktivität
- Karten sortieren: Gruppen ordnen Kommunikationsmethoden von „relativ sicher“ bis „hochriskant“ (z. B. SMS, Messenger, Signal, Festnetz, öffentlicher WLAN-Anruf, E-Mail, Sprachnachricht)
Teil 2: Sicherere Werkzeuge, sichereres Verhalten (30 Min)
Themen
- Prinzipien sicherer Kommunikation:
- Temporär, anonym, verschlüsselt oder redundant
- Keine App ist zu 100 % sicher – Verhalten zählt
- Empfehlungen:
- Signal (sicher, muss aber auf vertrauenswürdigem Gerät installiert sein)
- Briar (offline, via Bluetooth)
- Wegwerfhandys oder Prepaid-SIMs (je nach Situation)
- Notizen-App + Codewort (Low-Tech-Lösungen)
Demo
- Signal: Sicherheitsnummern vergleichen
- Burner-Phone einrichten: persönliche und sichere Kommunikation trennen
Handouts
- Tabelle „Apps & Tools (relativ sicher)“ mit Vor-/Nachteilen & Kontexten
Teil 3: Situationsbezogene Kommunikationsplanung (20 Min)
Aktivität
- „Du unterstützt Jamie“ – Eine Überlebende namens Jamie vermutet Überwachung. In Zweiergruppen:
- Kommunikationsbedarfe identifizieren (z.B. Anwalt sprechen, Bruder kontaktieren, Wohnung suchen)
- Für jeden Bedarf sicherere Optionen wählen
- Ein Wochen-Kommunikationsplan aufstellen – mit verfügbaren Tools und Orten
Diskussion: Warum wurde was gewählt? Welche Kompromisse waren nötig?
Teil 4: Praxis festigen – Überlebenden beibringen (15 Min)
Themen
- Risiken erklären ohne Angst oder Schuldgefühle auszulösen
- Verständnis prüfen („Was würdest du tun, wenn…?“)
- Wann man keine abrupten Änderungen einführen sollte (Täter könnte es merken)
- Empathisches Coaching: „Hier ist etwas, das mir geholfen hat…“
Rollenspiel
- Schnellübung: Du hast 2 Minuten, um einer Überlebenden zu erklären, wie sie mit einem Anwalt kommuniziert, ohne den Partner zu alarmieren. Los.
Abschluss & Fragen (10 Min)
- Schlüsselverhalten zusammenfassen:
- Sicherere Apps verwenden (wenn möglich)
- Keine Spuren hinterlassen (oder wissen, wie man sicher löscht)
- Verdächtige Muster vermeiden (oder „plötzliche Funkstille“)
- Kommunikation vorher planen und besprechen
- Lokale Ressourcen:
- Orte mit offenem WLAN
- Unterkünfte mit Leihgeräten
- Technische Unterstützungsdienste
Materialien
- „Warnsignale & sichere Praktiken“ – Merkblatt zum Mitnehmen
- Vorlage für situativen Kommunikationsplan (anonymisiert)
Optionales
- Offene Tech-Sprechstunde: Bring dein Handy mit, frag „ist das sicher?“ – in vertraulichem Rahmen
- App-Workshop: Messaging sicher auf Testgeräten einrichten
- Privatsphäre-Klinik: Metadaten löschen, Apps verstecken, SIMs wechseln